Teil 2: Bemessung des Schadensersatzes nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten?

Mit dem jetzt veröffentlichten Beschluss des 7. Senats des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 08.10.2020 wird die Anfrage des 5. Senats (vgl. http://www.ramatzka.de/doch-bemessung-des-schadensersatzes-nach-fiktiven-maengelbeseitigungskosten/) zur Bemessung des Schadensersatzes nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten beantwortet:

Um es vorwegzunehmen: Der 7. Senat hält an seiner Rechtsprechung fest.

Der Gläubiger kann nach allgemeinen schadensersatzrechtlichen Grundsätzen verlangen, wirtschaftlich so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn der Schuldner den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte.
Danach ist im Werkvertragsrecht die aufgrund der nicht ordnungsgemäßen (Nach-)Erfüllung gegebene tatsächliche Vermögenslage mit der hypothetischen Vermögenslage bei ordnungsgemäßer (Nach-)Erfüllung zu vergleichen.
Dabei belasten mangels Selbstvornahme nicht anfallende, fiktive Mängelbeseitigungskosten die im Rahmen des Vermögensvergleichs aufzustellende Vermögensbilanz des Bestellers aus Sicht des 7. Senats nicht.
Übersteigen die fiktiven Mängelbeseitigungskosten den im Wege des Vermögensvergleichs zu ermittelnden Differenzbetrag, führt die Zuerkennung eines Schadensersatzanspruchs in Höhe dieser Kosten vielmehr dazu, dass ein über den aufgrund des mangelhaften Werks gegebenen Vermögensschaden hinausgehender Betrag „ersetzt“ wird.
Mit anderen Worten: Der 7. Senat möchte im Werkvertragsrecht eine zur Überkompensation führende Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten verhindern und eine seines Erachtens Fehlentwicklung beenden; er hält diesbezüglich an einer unterschiedlichen Betrachtung nach Kaufvertrags- und Werkvertragsrecht fest.
Zugleich führt er auch aus, einen Minderwert anhand der Mängelbeseitigungskosten bemessen zu können, wenn die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten den Minderwert zutreffend abbilden.

Fazit: Es sollte der Große Zivilsenat des BGH zur Klärung der Frage angerufen werden, ob im Kauf- und Werkvertragsrecht der „kleine“ Schadensersatz (Schadensersatzanspruch statt der Leistung) anhand der fiktiven Mängelbeseitigungskosten berechnet werden kann.
Dessen Entscheidung erleichtert die Beratung und letztlich Entscheidung in den Fällen, in welchen es zu entscheiden gilt, ob überhaupt der „kleine“ Schadenersatz geltend gemacht werden sollte und falls ja, in welcher Höhe.

(Bundesgerichtshof, Beschl. v. 08.10.2020, Az.: VII ARZ 1/20)