Zulässigkeit verdeckter Videoaufnahmen von öffentlich zugänglichen Räumen

Das BAG hatte zu entscheiden, ob die Kündigung wegen der Entwendung von Zigarettenpackungen wirksam ist, wenn der Diebstahl nur aufgrund einer verdeckten Videoüberwachung aufgeklärt werden konnte.

Die Beklagte ist ein bundesweit tätiges Einzelhandelsunternehmen. Die Klägerin war bei ihr zuletzt als stellvertretende Filialleiterin beschäftigt. Für drei Wochen im Dezember 2008 installierte die Beklagte mit Zustimmung des Betriebsrats verdeckte Videokameras in den Verkaufsräumen. Sie hat geltend gemacht, es habe der Verdacht bestanden, dass auch Mitarbeiterdiebstähle zu hohen Inventurdifferenzen beigetragen hätten. Auf dem Mitschnitt sei zu sehen, wie die Klägerin bei zwei Gelegenheiten jeweils zumindest eine Zigarettenpackung aus dem Warenbestand entwendet habe. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht. Die Klägerin hat bestritten, Zigaretten entwendet zu haben.

Nach Einnahme des Augenscheins in die Videoaufzeichnungen hat das Landesarbeitsgericht den Kündigungsvorwurf als erwiesen erachtet und die Klage gegen die ordentliche Kündigung abgewiesen.

Das BAG hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen.

Entwendet eine Verkäuferin Zigarettenpackungen aus dem Warenbestand des Arbeitgebers, könne dies auch nach längerer – im Streitfall zehnjähriger – Betriebszugehörigkeit eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Führt eine verdeckte Videoüberwachung zur Überführung der Täterin, könne das auf diese Weise gewonnene Beweismaterial im Bestreitensfall prozessual allerdings nicht ohne Weiteres verwertet werden. Das entsprechende Interesse des Arbeitgebers habe gegenüber dem Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Arbeitnehmerin nur dann höheres Gewicht, wenn die Art der Informationsbeschaffung trotz der mit ihr verbundenen Persönlichkeitsbeeinträchtigung als schutzbedürftig zu qualifizieren ist. Dies sei bei verdeckter Videoüberwachung nur dann der Fall, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers bestand, es keine Möglichkeit zur Aufklärung durch weniger einschneidende Maßnahmen (mehr) gab und die Videoüberwachung insgesamt nicht unverhältnismäßig war. Unter diesen strengen Voraussetzungen wiederum stünden Vorschriften des BDSG der verdeckten Videoüberwachung auch an öffentlich zugänglichen Arbeitsplätzen nicht entgegen. Zwar bestimme § 6 b Abs. 2 BDSG, dass bei Videoaufzeichnungen in öffentlich zugänglichen Räumen der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle erkennbar zu machen sind. Bei einem Verstoß gegen diese Pflicht werde aber nicht jedwede Videoüberwachungsmaßnahme an öffentlich zugänglichen Arbeitsplätzen per se unzulässig.

Im vorliegenden Fall hat das BAG in Anwendung dieser Grundsätze ausgeführt, dass zwar die Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden sei, die – allein noch im Streit stehende – ordentliche Kündigung sei nach dem zugrunde gelegten Sachverhalt sozial gerechtfertigt. Es stehe aber noch nicht fest, ob die Voraussetzungen für eine prozessuale Verwertung der Videoaufzeichnungen gegeben sind.

 

Quelle: juris

 

Dresden, August 2012

 

Matthias Matzka

Rechtsanwalt

Mitglied der ARGE Baurecht im Deutschen Anwaltverein