Widerrufsrecht bei Werkverträgen?

Ein Verbraucher hatte einen Unternehmer nach einem Verkaufsgespräch in seinem Haus mit dem Einbau eines individuell zu planenden Senkrechtlifts an der Außenfassade seines Hauses beauftragt. Im Anschluss zahlte der Verbraucher dem Unternehmer einen Vorschuss.
Wenig später widerrief der Verbraucher den Vertrag und forderte den Vorschuss zurück – mit Erfolg, wie der BGH jetzt entschied.
Ein Recht zum Widerruf ist gegeben, weil
a) ein Vertrag zwischen einem Unternehmer (§ 14 BGB) und einem Verbraucher (§ 13 BGB) und
b) außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde sowie
c) das Widerrufsrecht nicht nach § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB bzw. § 312g Abs. 2 BGB ausgeschlossen war.
Vorliegend geht es nicht um einen Vertrag über erhebliche Umbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden. Hierunter fallen nur solche Umbaumaßnahmen, die dem Bau eines neuen Gebäudes vergleichbar seien, beispielsweise Baumaßnahmen, bei denen nur die Fassade eines alten Gebäudes erhalten bliebe. Maßgeblich sind mithin Umfang und Komplexität des Eingriffs sowie das Ausmaß des Eingriffs in die bauliche Substanz des Gebäudes. Verträge zur Errichtung von Anbauten, ohne dass es sich dabei um erhebliche Umbaumaßnahmen handelt, sind von der Ausnahme nicht erfasst. Bei der Bestellung der Aufzugsanlage handele es sich lediglich um einen Anbau.
Dem Wortlaut nach umfasst § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB nur Verträge, die auf die Lieferung von Waren gerichtet sind. Damit werden nach dem allgemeinen Sprachgebrach Kaufverträge (§ 433 BGB) und Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen (Werklieferungsverträge, § 651 BGB) erfasst. Der Vertrag der Parteien ist vielmehr nach den Regelungen des BGB als Werkvertrag und nach den Regelungen der Verbraucherrechterichtlinie als Dienstleistungsvertrag zu qualifizieren.
Der Verbraucher kann innerhalb der Widerrufsfrist auch frei wählen, ob er das Widerrufsrecht geltend macht. Dem Verbraucher ist es daher unbenommen, nach einer etwaigen Kündigung gemäß § 649 BGB sein Widerrufsrecht auszuüben.
Aufgrund des rechtswirksamen Widerrufs des Vertrags ist der Unternehmer verpflichtet, den gezahlten Vorschuss zurück zu gewähren (§ 355 Abs. 3 Satz 1, § 357 Abs. 1 BGB). Demgegenüber steht ihm kein Wertersatzanspruch für etwaige bis zum Widerruf etwa erbrachte Leistungen nach § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB zu, weil er den Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts sowie das Muster-Widerrufsformular nicht unterrichtet hatte.
Fazit: Gerade Unternehmer, welche außerhalb ihrer Geschäftsräume mit Verbrauchern Verträge über Bauleistungen abschließen, welche keine erheblichen Umbaumaßnahmen darstellen, sollten unbedingt auf eine wirksame Widerufsbelehrung achten und vorsorglich den Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist abwarten.
(BGH, Urteil vom 30.8.2018 – VII ZR 243/17 -)
Matthias Matzka

Rechtsanwalt für öff. u. priv. Baurecht
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