Steht der VSt bei der Entscheidung über den Ausschluss eines Angebots ein Beurteilungsspielraum zu und hat sie in Ausübung dieses Spielraums die Zuverlässigkeit, fachliche Eignung oder Leistungsfähigkeit des Bieters bejaht, ist sie daran grundsätzlich gebunden. Sie ist nach Treu und Glauben im allgemeinen gehindert, im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens von ihrer ursprünglichen Beurteilung abzurücken und bei unveränderter Sachlage die Zuverlässigkeit, fachliche Eignung oder Leistungsfähigkeit des Bieters nunmehr zu verneinen. Die Bindung an eine einmal getroffene Ermessensentscheidung besteht selbst dann, wenn der Auftraggeber im Rahmen der Eignungsprüfung verfahrensfehlerhaft nicht alle zu berücksichtigenden Umstände gewürdigt haben sollte. Allerdings kann es im Einzelfall zulässig und sogar geboten sein, eine Eignungsprüfung nachträglich zu korrigieren, wenn sich zwischenzeitlich aufgrund neuer Erkenntnisse herausgestellt haben sollte, dass die ursprüngliche Eignungsprüfung auf falschen Tatsachen beruhte.
Für die Bewertung der Zuverlässigkeit eines Bieters im Vergabeverfahren ist maßgebend, inwieweit die Umstände des einzelnen Falles die Aussage rechtfertigen, er werde die von ihm angebotenen Leistungen, die Gegenstand des Vergabeverfahrens sind, vertragsgerecht erbringen. Die Beurteilung der Zuverlässigkeit ist eine Prognoseentscheidung, die regelmäßig aufgrund des in der Vergangenheit liegenden Geschäftsgebarens des Bewerbers erfolgt. Zu den typischen Fällen von Unzuverlässigkeit eines Bewerbers gehört grundsätzlich auch mangelnde Sorgfalt bei der Ausführung früherer Arbeiten, die zu Nachforderungen des Auftraggebers oder zu Gewährleistungsansprüchen geführt hat. Erforderlich ist eine umfassende Abwägung aller in Betracht kommenden Gesichtspunkte unter angemessener Berücksichtigung des Umfanges, der Intensität, des Ausmaßes und des Grades der Vorwerfbarkeit der Pflichtverletzungen. Aus der Tatsache einer Vertragsverletzung oder einer mangelhaften Leistung kann daher nur dann der Rückschluss auf eine Unzuverlässigkeit des Unternehmers gezogen werden, wenn der Mangel gravierend ist, d.h. zu einer deutlichen Belastung des Auftraggebers, sei es in tatsächlicher oder finanzieller Hinsicht, geführt hat.
Ein Ausschluss eines Unternehmens von der Vergabe öffentlicher Aufträge wegen Unzuverlässigkeit kann schwerwiegende Folgen für das Unternehmen haben. Deshalb sind die Hürden für einen derartigen Ausschluss relativ hoch. Insbesondere muss es sich um gravierende und vor allem um nachgewiesene Verfehlungen handeln (Vergabekammer Nordbayern, Beschluss vom 12.06.2012, AZ: 21.VK-3194-10/12).